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Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien in Europa
In der EU wurden allein im Jahr 2022 5,8 Millionen Tonnen Textilabfälle produziert, was einem Pro-Kopf-Aufkommen von fast 13 kg pro Einwohner entspricht. Von diesem gigantischen Müllberg wird kaum ein Drittel recycelt oder auf dem Second Hand Markt weiterverwendet. Die Textilindustrie ist weltweit für ungefähr 10% des gesamten CO2 Ausstoßes verantwortlich (Europäisches Parlament, 12/2020) und auch der Wasserverbrauch ist enorm. Schätzungsweise 2.500 Liter Süßwasser werden für die Produktion eines Baumwoll-T-Shirts benötigt (Europäisches Parlament, 09/2020). Unter diesen Gesichtspunkten ist der Aufbau einer effektiven Kreislaufwirtschaft für Textilabfälle, inklusive Anreize für effizienteren Umgang mit Ressourcen, für die Hersteller unabdingbar.
Während es in der EU bereits seit Jahren einheitliche Vorschriften zur bezüglich Entsorgung von Batterien, Elektrogeräten und Verpackungen gibt, steht eine einheitliche Regelung in der Europäischen Union zur Erweiterten Herstellerverantwortung im Textilsektor noch aus. Obwohl die EU-Textilstrategie entwickelt wurde, steht die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft für Textilien noch in weiter Ferne. Laut des Aktionsplans der EU Kommission sollen bis 2030 „die in der EU auf den Markt gebrachten Textilerzeugnisse so hergestellt werden, dass soziale Rechte und Umweltschutz gewahrt sind.“ (BMWK, 08/2022). Dies hat mehrere EU-Staaten jedoch nicht davon abgehalten, bereits heute schon Gesetze bezüglich der Erweiterten Herstellerverantwortung für Textilien einzuführen.
Frankreich, die Niederlande und Ungarn haben bereits Gesetze im Bereich EPR Textilien erlassen, die Hersteller und Importeure von Textilien dazu verpflichten, sich an den Kosten der Entsorgung und Wiederaufbereitung von Textilien zu beteiligen. Beim Erarbeiten dieser Gesetze wurde keine einheitliche Richtlinie verfolgt, was zur Folge hat, dass bereits jetzt die Vielfalt und Komplexität der verschiedenen Vorschriften schwer zu durchschauen ist. Besonders die Definition dessen, was als ,,textil“ angesehen wird, variiert von Land zu Land erheblich. Das verkompliziert die Situation für Unternehmen, die sich an diese Regelungen halten müssen, zusätzlich.
Frankreich
Frankreich ist Vorreiter im Bereich der Erweiterten Herstellerverantwortung für Textilien, die an Endverbraucher verkauft werden. Bereits seit 2007 hat das Land ein funktionierendes Rücknahmesystem für Textilabfälle.
Wann bin ich verpflichtet?
Sie sind verpflichtet, wenn:
- Sie Textilien in Frankreich herstellen.
- Sie Ihre Eigenmarke auf Produkten anderer Hersteller anbringen.
- Sie Textilien nach Frankreich importieren, mit dem Ziel, diese weiterzuverkaufen.
- Sie Textilien über den Fernabsatz an Endverbraucher in Frankreich verkaufen.
Was fällt unter Textilien in Frankreich?
Als Textilien gelten in Frankreich alle gängigen Kleidungsstücke wie Jacken, Hosen, Schuhe und Mützen. Zusätzlich werden Tagesdecken, Tischdecken und Bettwäsche als Textilien erfasst. Es gibt auch Produkte, die man auf den ersten Blick als Textilien auffassen würde, in Frankreich aber in eine völlig andere Kategorie der Erweiterten Herstellerverantwortung fallen. Teppiche, Gardinen oder Dekorationskissen sind zwar in der Regel auch aus Textilfasern, werden vom französischen Gesetzgeber aber als Möbel betrachtet und müssen gesondert registriert und gemeldet werden (Selbstverständlich sind wir Ihnen auch hier gerne behilflich). Gute Nachrichten gibt es für Verkäufer von Lederwaren: Diese sind in Frankreich nicht meldepflichtig
Übrigens:
Frankreich hat darüber hinaus spezielle Regelungen zur Kennzeichnung von Textilien. Textilien, die an Endverbraucher verkauft werden müssen mit dem sogenannten Triman- Symbol gekennzeichnet werden. Natürlich unterstützen wir Sie auch bei der Umsetzung der Kennzeichnungspflichten in Frankreich.
Sie möchten mehr zur französischen EPR erfahren? Dann schauen Sie auch in unseren Blogartikel zur Französischen EPR sowie in unser digitales Produktdatenblatt zu Frankreich rein:
Niederlande
Auch in den Niederlanden wird ab 2024 ein System für die Erweiterte Herstellerverantwortung im Bereich Textilien eingeführt. Die Hersteller und Inverkehrbringer werden zunächst eine Schätzmenge abgeben müssen und ab 2025 Entsorgungsbeiträge an den Systembetreiber entrichten.
Wann bin ich verpflichtet?
Sie sind verpflichtet, wenn:
- Sie Textilien in den Niederlanden herstellen.
- Sie Ihre Eigenmarke auf Produkten anderer Hersteller anbringen.
- Sie Textilien in die Niederlande importieren mit dem Ziel, diese weiterzuverkaufen.
- Sie Textilien über den Fernabsatz an Endverbraucher in den Niederlanden verkaufen.
Was fällt unter Textilien in den Niederlanden?
In den Niederlanden fallen in den Bereich Textilien Konsumentenkleidung aber auch Arbeits- und Businesskleidung sowie Bettwäsche, Tischdecken und Handtücher für den privaten und kommerziellen Gebrauch. Aber auch hier gibt es wieder ein paar Ausnahmen. So fallen Schuhe und Kopfbedeckungen in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Genauso sind die Objekte, die in Frankreich als Möbel erfasst werden, in den Niederlanden nicht abgedeckt. Leder und Pelzwaren sind wie in Frankreich nicht lizenzierungspflichtig.
Ungarn
Ungarn hat im Sommer 2023 umfassende Verpflichtungen für die Erweiterte Herstellverantwortung für eine Reihe von Produktarten wie Möbel, Textilien, Verpackungen oder Elektrogeräte eingeführt. Neu an diesen Regelungen ist, dass erstmals auch ausländische Unternehmen ohne ungarische Steuernummer zur Lizenzierung verpflichtet sind. Die Teilnahme an den Rücknahmesystemen gestaltet sich für Außenstehende mithin schwierig: Sowohl die ungarischen Behörden als auch die staatliche Konzessionsgesellschaft kommunizieren nur auf Ungarisch, die Registerportale sind auch nur in nur der Landessprache verfügbar.
Wann bin ich verpflichtet?
Sie sind verpflichtet, wenn:
- Sie Textilien in Ungarn herstellen.
- Sie Ihre Eigenmarke auf Produkten anderer Hersteller anbringen.
- Sie Textilien nach Ungarn importieren mit dem Ziel, diese weiterzuverkaufen.
- Sie Textilien über den Fernabsatz an Endverbraucher in den Ungarn verkaufen.
Was fällt unter Textilien in Ungarn?
Ungarn hat von allen Ländern bisher die weitreichendste Definition von Textilien. In Ungarn fallen sowohl Konsumenten- und Arbeitskleidung, als auch Teppiche und Gardinen unter die Kategorie der Textilien. Das bedeutet, dass für diese Gegenstände eine Lizenzierungspflicht besteht. Genauso sind Bettwäsche, Tischwäsche und Schuhe vom Gesetz erfasst. In Ungarn gilt obendrein die spezielle Regelung, dass Leder- und Pelzwaren, unabhängig davon, ob sie aus echtem oder künstlichem Material bestehen, meldepflichtig sind.
Lettland
Auch Lettland hat zum 01. Juli 2024 eine EPR Lösung für Textilien in die Praxis umgesetzt.
Inverkehrbringer sind zur Zahlung der Naturressourcensteuer (NRT) verpflichtet. Die Steuer beträgt 0,50 EUR/kg für die betroffenen Produkte und dient der staatlichen Entsorgung von Textilien. Diese NRT kann umgangen werden, indem ein Vertrag mit dem lettischen Grünen Punkt abgeschlossen wird (Latvijas Zaļais punkts).
Wenn ein Vertrag mit dem LZP abgeschlossen wird, erhöhen sich laut LZP News 04/2024 die „Verwaltungskosten“, die zum Preis des Textilprodukts hinzugerechnet werden müssen und vom Verbraucher zu tragen sind, nur um 0,13 Euro/kg. Das bedeutet, dass beispielsweise ein T-Shirt mit einem Gewicht von etwa 180 g um 2 Cent teurer wird, eine Hose mit einem Gewicht von etwa 700 g um 9 Cent und ein Mantel mit einem Gewicht von 2 kg um 26 Cent teurer.“
Wann bin ich verpflichtet?
Sie sind verpflichtet, wenn:
- Sie Textilien in Lettland herstellen.
- Sie Ihre Eigenmarke auf Produkten anderer Hersteller anbringen.
- Sie Textilien nach Lettland importieren, mit dem Ziel, diese weiterzuverkaufen.
- Sie Textilien über den Fernabsatz an Endverbraucher in Lettland verkaufen.
Was fällt unter Textilien in Lettland?
Sowohl Kleidung, Heimtextilien als auch Schuhe werden in Lettland dem „Textil“-Begriff zugeordnet.
EPR Textilien: Neue Herausforderungen und Chancen
Ob als Teil der EU-Textilstrategie oder vorab als länderspezifische Verordnung – die Bedeutung der Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) im Textilsektor wird für Unternehmen auch in Zukunft weiter zunehmen. Ungeachtet einer gesamteuropäischen Regelung haben Länder wie Schweden und Portugal bereits die Einführung eigener EPR-Bestimmungen für Textilien angekündigt. Ebenso plant Großbritannien, das aus der EU ausgeschieden ist, die Implementierung einer eigenen entsprechenden Regelung für mehr Nachhaltigkeit..
Fazit
Die Gesetzgebung in verschiedenen Ländern macht es Unternehmen tatsächlich nicht leicht, den Überblick darüber zu behalten, welche ihrer Produkte in den Bereich der Erweiterten Herstellerverantwortung fallen. Die unterschiedlichen nationalen Vorschriften, die von Land zu Land variieren, stellen für Firmen, die international agieren, eine komplexe Herausforderung dar, insbesondere wenn es um die Einhaltung verschiedener Umwelt- und Recyclingstandards geht. Als Beratungsunternehmen mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Erweiterten Herstellerverantwortung haben wir von CERTIFY ein umfassendes Wissen über die einzelnen Kategorien aufgebaut, damit Ihr Unternehmen sicher auf den internationalen Märkten agieret.
Wir beraten Sie gerne, welche Ihrer Produkte international lizenzierungspflichtig sind und übernehmen die Registrierung und Meldung Ihrer Produkte – schnell und unkompliziert.